Der Artenschwund in der landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft und die notwendigen Maßnahmen, ihn zu stoppen, waren die Themen einer lebhaften und kontroversen Diskussion am 13. Juli im gut gefüllten Saal des Gasthauses Stucke.
Das Verschwinden zahlreicher Arten von Pflanzen, Insekten und Vögeln ist zuletzt vom Bundesamt für Naturschutz in seinem Agrarreport 2017 festgestellt und mit Zahlen belegt worden. Das Urteil des Bundesamtes über die Agrarpolitik ist eindeutig: „Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union sowie die nationale Agrarpolitik leisten auch nach der letzten Reform 2013 keinen substanziellen Beitrag, um dem anhaltenden Verlust der biologischen Vielfalt wirksam entgegenzutreten.“
Der Ortsverband Wedemark der GRÜNEN hatte dazu den Europaabgeordneten Martin Häusling eingeladen. Als agrarpolitischer Sprecher seiner Fraktion hat er die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik als Arbeitsschwerpunkt. Auch er sah den Artenschwund als Ergebnis einer verfehlten Landwirtschaftspolitik, die trotz des Einsatzes von erheblichen Mitteln aus Steuergeldern weder das Höfesterben noch den Artenschwund verhindern konnte. Sein Fazit war, dass die industrielle Landwirtschaft mit ihrem Einsatz von Pestiziden, Düngemitteln und Importfutter in eine Sackgasse führe. Dies werde die Gesellschaft auf Dauer nicht tolerieren, nicht nur wegen der Umweltschäden hier, sondern auch wegen der gravierend negativen Folgen in anderen Teilen der Welt. Besonders den Glyphosat-Einsatz kritisierte er scharf.
Dr. Holger Hennies, im Vorstand des Landvolk Hannover e.V. für Umweltfragen zuständig, teilte zwar die Einschätzung, dass der Artenschwund eine Herausforderung sei, der sich auch die Landwirtschaft stellen müsse. Er nannte jedoch zum Teil andere Ursachen als Häusling. So wies er auf den Klimawandel hin, der zum Auseinanderfallen der Entwicklungszyklen von Vögeln und Insekten als deren Nahrungsgrundlage geführt habe. Er verteidigte den fachgerechten Einsatz von Glyphosat und betonte, dass die Landwirtschaft inzwischen vielfältige Fruchtfolgen entwickelt habe. Auch zu den Gegenmaßnahmen hatte Dr. Hennies andere Auffassungen. Während Häusling die Zahlung von EU-Subventionen streng an das Erbringen von Leistungen für die Umwelt koppeln wollte, verwies Hennies auf die Wirkung der flächenabhängigen Zahlungen für den Erhalt bäuerlicher Betriebe auch in Phasen starker Preisschwankungen, wie zuletzt beim Milchpreis. Hinsichtlich der Umweltauflagen für die Landwirtschaft kritisierte er die immer höhere Dichte an Verordnungen, die insbesondere den kleinen Betrieben zu schaffen mache. Landesprogrammen wie zur Anlage von Ackerrandstreifen gegenüber zeigte er sich aufgeschlossen. Der Flächenverbrauch in Deutschland, ca. 70 Hektar täglich für Bebauung und Verkehrswege, wurde als eine der Ursachen der Artenverarmung von allen Teilnehmern anerkannt.
Dirk Grahn, der Direktkandidat der GRÜNEN für den Wahlbezirk Garbsen/Wedemark zur Landtagswahl 2018 und Landwirt mit teils ökologischem Landbau, teils konventionellem Landbau berichtete von seinen eigenen erfolgreichen Maßnahmen, um die Artenvielfalt auf seinen Flächen zu erhalten und zu fördern. Er zeigte Verständnis für die Probleme seiner Berufskollegen bei der Umsetzung neuer Regelungen. Eike Lengemann, der Direktkandidat der GRÜNEN im Wahlbezirk 43 (Hannover-Nord) zur Bundestagswahl, verwies auf die die Landwirtschaft betreffenden Abschnitte im Bundestagswahlprogramm. Er setzte eigene Akzente, indem er auch Bezüge zu seinem eigenen beruflichen und politischen Thema, Verkehr und Mobilität, herstellte. Auch hier gilt es, Flächenverbrauch und Zerschneiden von Landschaften zu vermeiden. Er verwies auf ein landesweites Biotopverbundsystem, das die Grünen weiterentwickeln wollen.
Gisela Wicke, Bereichsleiterin im Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, hat Erfahrungen aus mehr als 25 Jahren im Naturschutz des Landes Niedersachsen. Insbesondere in der Anlage von Ackerrandstreifen und Brachen sah sie noch großes Potential, die Artenvielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen zu fördern. Für eine Ausweitung dieser Programme sollte deutlich mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Auch eine noch bessere Beratung der Landwirte über den Artenschutz und die dazu angebotenen Programme sei unbedingt anzustreben. Im übrigen plädierte sie dafür, die sogenannte „gute fachliche Praxis“ als Grundlage der Landwirtschaft neu zu definieren. Mit zahlreichen Beiträgen beteiligte sich das Publikum an der lebhaften Diskussion. Überwiegend wurde dabei die Position des Naturschutzes eingenommen. Unter anderem wurde auch die Verpflichtung der Gemeinde hingewiesen, auf ihren eigenen Flächen für die Artenvielfalt zu sorgen, z.B. durch späteres Abmähen der Wegeränder.